Atmung – lebensnotwendig und trotzdem unberücksichtigt
Das erste, was wir tun, wenn wir auf diese Welt kommen – und das letzte, wenn wir sie wieder verlassen – ist atmen. Und trotzdem schenken wir diesem lebenswichtigen Prozess im Alltag erstaunlich wenig Aufmerksamkeit.
In meiner Arbeit als Kieferorthopädin bin ich ständig auf der Suche nach den Ursachen für Kiefer- und Zahnfehlstellungen, Entwicklungsstörungen und Beschwerden. Viele Antworten führen mich immer wieder zu einem Punkt: die Atmung.
Wie Yoga mir die Bedeutung der Atmung gezeigt hat
Erst durch Yoga habe ich wirklich verstanden, welche Kraft die Atmung hat. Dabei begleiteten mich Atemprobleme schon seit meiner Kindheit. Ich hatte chronisch verstopfte Nase, konnte schlecht nasenatmen – und wie jedes Kind habe ich es mir nicht unnötig schwer gemacht: Ich begann, durch den Mund zu atmen.
Das nennt man habituelle Mundatmung – eine Angewohnheit, die oft unbemerkt entsteht und weitreichende Folgen hat.
Die Zunge ändert ihre Position – und verliert damit ihre Wachstumsfunktion
Bei der Mundatmung „fällt“ die Zunge nach unten und nach hinten in den Unterkiefer. Doch gerade die Zunge ist unser wichtigster Wachstumsmotor für:
- die Breitenentwicklung des Oberkiefers
- die Form der Nasenhöhle
- das gesamte Mittelgesicht
Wird der Zungendruck am Gaumen nicht ausgeübt, bleiben Oberkiefer und Atemwege schmal. So entstehen Schmalkiefer und eher schmale Gesichter – so wie bei mir selbst 😉
Der Grund dafür ist einfach:
Knochen wächst durch Zug und bildet sich zurück durch Druck.
Der Zungendruck am Gaumen erzeugt Zugkräfte entlang der Gaumennaht und regt so Wachstum an. Gleichzeitig erweitert die stetige Nasenluftströmung die Atemwege. Fällt beides weg, bleiben sie kleiner – und verstopfen schneller.
Mundatmung ist Dauerstress für den Körper
Mundatmung ist für den Körper ein dauerhafter Stressfaktor, denn sie führ zu einer erhöhten Atemfrequenz.
Der Körper interpretiert schnelle Atmung als Gefahr – als wären wir im Zustand von „Fight or Flight“. Selbst nachts, wenn wir schlafen sollten, laufen wir im Notfallmodus. Erholung? Fehlanzeige.
Was passiert dabei?
Ein klassischer Teufelskreis entsteht.
Der Cortisolspiegel steigt.
Cortisol dämpft das Immunsystem.
Infekte treten häufiger auf.

Auswirkungen bei Kindern – Müdigkeit, Konzentrationsprobleme, ADHS-ähnliche Symptome
Kinder, die durch den Mund atmen, wirken oft:
- müde
- blass
- unkonzentriert
Durch die veränderte Atmungsmechanik sinken häufig die CO₂-Werte im Blut (#Hypokapnie).
CO₂ ist jedoch ein zentraler Faktor für die Sauerstofffreisetzung im Gewebe. Fehlt es, arbeitet das Gehirn weniger effizient. Die Folge:
- Konzentrationsschwierigkeiten
- erhöhte Reizbarkeit
- Tendenz zu Hyperaktivität (#ADHS)
Viele dieser Kinder sind nicht „unaufmerksam“, sie sind schlicht unterversorgt.
Warum wir genauer hinschauen sollten
Atmung ist viel mehr als ein automatischer Prozess – sie ist ein grundlegender Baustein unserer körperlichen Entwicklung, unserer Haltung, unseres Schlafes, unserer Konzentrationsfähigkeit und sogar unserer Emotionen.
Wer nur durch den Mund atmet, nimmt dem Körper ein Stück seiner natürlichen Balance.
Und oft beginnt alles ganz unscheinbar: mit einer verstopften Nase in der Kindheit.